Was ist überhaupt Shui Jian Bao
Shui Jian Bao (水煎包) ist eine köstliche Spezialität, eine Art gebratene Teigtasche aus der Stadt Kaifeng in der chinesischen Provinz Henan. Das Gericht ist in der zentralchinesischen Ebene, Nordchina und in einem Teil von Ostchina, zum Beispiel in meiner Heimatsprovinz Shandong, sehr beliebt. Shui Jian Bao werden aus Hefeteig gemacht und haben wegen des Knusperbodens, der saftigen Füllung und der hauchdünnen Kruste eine Konsistenz von fluffig, saftig und knusprig gleichzeitig.
Anders als Sheng Jian (生煎) aus Shanghai, die hauptsächlich aus einer Schweinefleisch- oder halb Schweinefleisch-, halb Garnelen-Füllung bestehen, ist die Füllung für Shui Jian Bao sehr variabel. Je nach Belieben kann sie nur aus Fleisch, halb aus Fleisch, Garnelen, Eiern und zur anderen Hälfte aus Gemüse oder nur aus Gemüse bestehen. Die Zubereitung ist auch etwas anders. Shui Jian Bao werden so wie es der Name „Shui Jian (Shui – 水, Wasser; Jian – 煎, Braten.)“ im Chinesischen aussagt, im Wasser mit wenig Öl gegart, während Sheng Jian hauptsächlich mit sehr viel Öl gebraten werden. Ansonsten sind Shui Jian Bao meistens viel größer als Sheng Jian und es gibt auch mehr Varianten diese zu formen. In der Stadt Qingdao, wo ich gelebt hatte, gibt es eine sehr ähnliche Variante, nämlich Lu Bao (Lu – 炉, Herd).
Hirtentäschel – Eine besondere Zutat für Shui Jian Bao
Wenn ich von Shui Jian Bao spreche, muss ich immer an eine besondere Zutat denken, nämlich Hirtentäschel. Es handelt sich dabei um ein weltweit verbreitetes Wildkraut, das auch als Heilpflanze benutzt wird. Die Pflanze kennt vermutlich jedes Kind. Jeder Hobbygärtner zupft die Pflanzen jedes Jahr aus dem Garten oder Vorgarten achtlos heraus. Denn der Hirtentäschel ist eines der am häufigsten vorkommenden „Unkräuter“ oder besser Wildkräuter. Während die Pflanzen in Deutschland auf dem Kompost landen, wird Hirtentäschel in China sogar als Nutzpflanze angebaut und auf dem Markt verkauft. In Japan ist Hirtentäschelkraut eine der traditionellen Zutaten des Nanakusa-Gayus, wörtlich übersetzt Sieben-Kräuter-Reisbreis, den man am Fest der Sieben Kräuter (Nanakusa no Sekku, auch „Tag der Menschheit“ genannt) isst.
Der Hirtentäschel ist gut an den kleinen Früchten zu erkennen, die wie herzförmige Taschen aussehen. Die ganze Pflanze ist essbar, am nahrhaftesten sind allerdings die Blätter. Man findet sie überall, zum Beispiel an gut gewässerten Feldrändern, an Wegrändern, auf der Wiese, an Gräben oder sogar in Hausgärten. Die Erntezeit für die Blätter ist von Dezember bis ca. zum April. Ungefähr im Mai fangen die Hirtentäschel schon an zu blühen. Während der Blütezeit kann man zwar die Blätter immer noch ernten, aber sie sind weniger zart und haben einen blasseren Geschmack.
Als ich klein war, waren wir immer im Frühling Hirtentäschel oder Robinienblüten sammeln gegangen. Dafür hatte mein Vater mir extra ein kleines Weidenkörbchen besorgt. Ich war immer sehr glücklich, wenn das beigefarbene Körbchen fast überfüllt von grünen Kräutern oder duftenden Blüten war.
Frisch geernteter Hirtentäschel, besonders dessen Wurzel hat ein einzigartiges würziges Aroma und einen Hauch von blumiger Note. Die Blätter haben einen feinen, bittersüßen Geschmack und eine angenehme Schärfe, die an Rettich oder Radieschenblätter erinnert. Die Verwendungsmöglichkeiten von Hirtentäschel sind vielfältig. Zum Beispiel als getrocknete Blätter in der Suppe, als gemahlenes Gewürz in Dressings und Saucen oder als Füllung für Teigtaschen. Meine Mutter hatte sie häufig als Füllung für Teigtaschen wie Baozi, Jiaozi oder Wantan verwendet. Es war immer so lecker, dass ich am liebsten mit dem Essen nie aufgehört hätte. Nur leider war mein Bäuchlein irgendwann so randvoll, dass kein Gramm mehr reinpasste.
Heute sammele ich auch jedes Jahr mit meiner Familie Hirtentäschel. Die Tradition muss irgendwie weitergegeben werden. Einmal hatte unser kleinster Mitbewohner sogar von der Schule ein ausgetrocknetes Hirtentäschel mit nach Hause genommen, als Geschenk für uns.
Die Wurzel des Hirtentäschels ist stärker als man denkt. Deshalb sollte man beim Sammeln ein kleines Messer benutzen und die Pflanze von der Wurzel abtrennen. Mit bloßen Händen kann man sie schwer aus der Erde ziehen, besonders dort, wo die Erde relativ fest ist. Da das Sortieren der gesammelten Hirtentäschel etwas „meditativ“ ist, ist es ratsam, dass man schon beim Sammeln die verwelkten gelben Blätter aussortiert und den Dreck abschüttelt. So spart man sich später jede Menge Arbeit.
Bald ist schon wieder Dezember. Man fängt wieder an, oder man hat schon lange angefangen, Weihnachtskekse zu backen oder die Wunschlisten abzuarbeiten. Wie wäre es zur Abwechslung ein Bündel Hirtentäschel beim Spaziergang zu sammeln und diese chinesische Leckerei auszuprobieren? Wir können schon mal sagen, es lohnt sich!
Shui Jian Bao – Mit Hirtentäschel und Knusperboden
Wer keine Hirtentäschel für die Füllung findet oder sammeln will, kann stattdessen frischen Spinat, Pak Choi oder Grünkohl verwenden. Diese müssen vor der Anwendung ebenso blanchiert werden. In der Bärlauchsaison kann man auch Bärlauch benutzen. Dann einfach den frischen Bärlauch klein hacken und zu den anderen Zutaten geben. Es schmeckt mindestens genauso lecker. Für eine vegetarische Variante kann das Fleisch durch veganes Hack ersetzt werden.
Zutaten
- Für die Füllung:
200 g Hackfleisch (von Schwein oder gemischt)
150 g Hirtentäschel (blanchiert)
4 Shiitakepilze (mittlere Größe, frisch)
1 Frühlingszwiebel
¼ TL Ingwerpulver
¼ TL weißes Pfefferpulver
½ EL Sesamöl (geröstet)
½ EL Rapsöl
1 EL Helle Sojasauce
½ TL Dunkle Sojasauce
1 TL Austernsauce
1 Prise Salz
40 ml Wasser - Für den Teig:
250 g Mehl
½ Packung Trockenhefe
½ TL Backpulver (gestrichen)
½ TL Zucker
½ EL Pflanzenöl
130 ml Wasser (ca. 30°C) - Für die Brühe:
100 ml Wasser
1 TL Mehl (leicht gehäuft)
½ TL Pflanzenöl
Anleitung
- Step 1 Zuerst die Hirtentäschel verlesen, eventuell vorhandene Wurzelreste entfernen. Die grünen Pflanzenteile abwaschen.
- Step 2 In einem Topf* ausreichend Wasser aufkochen, eine kräftige Prise Salz hineingeben.
- Step 3 Die Hirtentäschel in das Wasser geben und 1 Minuten blanchieren. Danach die blanchierten Hirtentäschel unter kaltem Wasser abkühlen, dann auspressen, grob hacken und bereitstellen.
- Step 4 Die Frühlingszwiebeln der Länge nach vierteln und in feine Würfel schneiden. Die Shiitakepilze ebenso in kleine Würfel schneiden.
- Step 5 2 EL Pflanzenöl in einer Pfanne erhitzen. Die Frühlingszwiebel- und Shiitakepilzwürfel in die Pfanne geben und anbraten. Danach den Herd ausschalten und die ganze abkühlen lassen.
- Step 6 Nun den Teig vorbereiten. Zucker und Hefe in dem Wasser (ca. 30°C) auflösen.
- Step 7 Das Mehl in eine Schüssel geben, das Backpulver hineinmischen. Dann die Zucker-Hefe-Wassermischung und das Öl hinzufügen und das Mehl zu einem glatten Teig bearbeiten.
- Step 8 Die Schüssel abdecken und den Teig 5 Minuten ruhen lassen.
- Step 9 Nach 5 Minuten den Teig nochmals glatt durchkneten, danach die Schüssel erneut abdecken und den Teig bei Zimmertemperatur ca. 15 Minuten gehen lassen. In diesem Schritt darf der Teig nicht zu stark aufgehen und zu viele Luftblasen bilden.
- Step 10 In der Wartezeit die Füllung zubereiten. Hackfleisch, Knoblauchpulver, Ingwerpulver, weißes Pfefferpulver, Sesamöl, Rapsöl, helle- und dunkle Sojasauce, Austernsauce, Salz sowie 40 ml Wasser in einer Schüssel vermengen, dann in eine Richtung kräftig rühren, bis das Hackfleisch die Flüssigkeit komplett aufgenommen hat und sich alles zu einem klebrigen Teig verbunden hat.
- Step 11 Dann die gehackten Hirtentäschel und die abgekühlten Frühlingszwiebel- und Shiitakepilzwürfel samt Öl zu dem Hackfleisch geben, gut vermengen und bereitstellen.
- Step 12 Wenn 15 Minuten vorbei ist, ein Tablett oder so ähnliches mit Backpapier belegen und bereitstellen.
- Step 13 Dann kann man mit den Packen loslegen. Den Teig auf eine bemehlte Arbeitsplatte geben und durchkneten, bis keine großen Luftblasen mehr vorhanden sind.
- Step 14 Nun den Teig zu einer Teigrolle mit ca. 4 cm Durchmesser rollen. Die Teigrolle in 16 Stücke zu jeweils ca. 25 g teilen.
- Step 15 Die Teigstücke zu Kugeln rollen und mit der Handfläche plattdrücken. Dann die Teigfladen mit einem kleinen Nudelholz* mit einem Durchmesser von ca. 8 – 9 cm flach ausrollen. Achtung, der ausgerollte Teigfladen soll in der Mitte ca. 1 cm dick, am Rand ca. 5 mm dünn sein. Also wie bei einer kleinen Diskusscheibe.
- Step 16 Einen Teigfladen nehmen, einen gehäufte Esslöffel Füllung (ca. 25 g) in die Mitte geben, sanft festdrücken, sodass von der Füllung bis zum Rand der Teigfladen noch 2 bis 2,5 cm freier Platz bleibt.
- Step 17 Nun den Rand des Teigfladens mehrmals an der Außenseite entlang ca. 16- bis 22-Mal auffalten und zudrücken, sodass sich die Öffnung am Schluss gut verschlossen hat. Die Methode ist dieselbe, wie beim Baozi-Packen.
- Step 18 Die fertig gepackten Shui Jian Bao mit genügend Abstand auf das vorbereitete Tablett legen. Wer die Shui Jian Bao später mit dem Verschluss nach unten braten möchte, soll sie nach dem Packen auch direkt mit dem Verschluss nach unten auf das mit Backpapier belegte Tablett legen. In diesem Fall muss der Verschluss dicht verschlossen sein, damit beim Braten kein Saft ausläuft.
- Step 19 Alle fertig gepackten Shui Jian Bao mit einem Küchentuch bedecken und 10 Minuten ruhen lassen.
- Step 20 Dann die Shui Jian Bao braten. Eine Bratpfanne mit Antihaftversiegelung* bei mittlerer Hitze erhitzen. 2 EL Pflanzenöl hineingeben und gut verteilen.
- Step 21 Dann die Shui Jian Bao entweder mit dem Verschluss nach oben oder nach unten, nebeneinander in der Mitte der Pfanne platzieren. Ein Abstand zwischen den Shui Jian Bao ist nicht erforderlich.
- Step 22 Bei mittlerer Hitze (bei Induktion z.B. bei Stufe 6) den Boden der Shui Jian Bao leicht goldbraun anbraten.
- Step 23 Nun das Mehl und Pflanzenöl mit Wasser verrühren und in die Pfanne hineingießen. Danach die Pfanne sofort mit dem Deckel bedecken, den Herd eine Stufe höher schalten und die Shui Jian Bao ca. 8 Minuten braten, bis es brutzelt und die gesamte Flüssigkeit verdampft ist. Währenddessen auf keinen Fall den Deckel öffnen.
- Step 24 Nach 8 Minuten den Herd auf eine niedrige Stufe schalten (Bei Induktion z.B. Stufe 4), dann den Deckel langsam öffnen, etwas Öl am Pfannenrand entlang und zwischen die Lücken der Shui Jian Bao gießen. Dann die Shui Jian Bao mit geschlossenem Deckel weitere 3 Minuten braten lassen, bis die Kruste goldbraun aussieht.
- Step 25 Danach den Deckel langsam öffnen, die Shui Jian Bao nach Belieben mit Sesamkörnen oder fein geschnittener Frühlingszwiebel streuen. Den Deckel nochmals für eine halbe Minute zudecken, damit sich das Aroma der Frühlingszwiebel entfaltet.
- Step 26 Dann den Deckel öffnen, mit einem Pfannenwender die Shui Jian Bao aus der Pfanne nehmen und mit der Kruste nach oben servieren. Guten Appetit.
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