Es ist immer wieder faszinierend, wie Bräuche und Traditionen sich von Land zu Land und selbst von Region zu Region unterscheiden können. Selbst in Deutschland gibt es von Nord nach Süd und von Ost nach West teils erhebliche Unterschiede. Dennoch geht man erstmal davon aus, dass in einem relativ kleinen Land, wie den Niederlanden ähnliche Traditionen gepflegt werden, wie im Norden oder genauer an der Küste unserer Republik. Das das aber keineswegs so ist, sieht man bereits an der Tradition des Nikolaustags. Dazu kommen wir gleich. Aber selbst innerhalb der Niederlande gibt es Bräuche, die auf eine bestimmte Region des Landes beschränkt sind. Dazu gehören zum Beispiel diese Anijskrollen. In Teilen Brabants werden diese leckeren Anisbrötchen von September bis Karneval gegessen. Besonders beliebt sind die Anijskrollen aber rund um Sinterklaas, dem niederländischen Nikolaus. Die Anijskrollen sollen bereits 1865 in der Region Brabant gebacken worden sein. Der Name „krol“ im Brabanter Dialekt ist eine Verballhornung des Begriffs „curl“ (=Locke). Womit man sich über die typische Form des Gebäcks lustig macht. Man kann Anijskrollen daher auch mit Anislocken ins Deutsche übersetzen.
Das Verbreitungsgebiet der Anijskrollen soll sich ziemlich genau auf die historische Straßenbahnlinie ‘s-Hertogenbosch – Helmond erstrecken. Besonders bekannt im Zusammenhang mit dem Gebäck ist die Kleinstadt Veghel. Hier findet seit 2014 jedes Jahr im November der Krollenloop (Krollenlauf) statt.
Für die meisten Niederländer in der Region kann ein Nikolausfest nicht komplett sein, wenn es keine mit Butter bestrichenen und mit Spekulatius belegten Anijskrollen gibt.
Nikolaus, Sinterklaas und Zwarter Piet
Um noch einmal auf die Traditionen und Bräuche zurückzukommen: Bei uns in Norddeutschland kommt in der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember der Nikolaus. Jedes Kind stellt am Abend des 5. Dezembers seine meist geputzten Schuhe zurecht und hofft darauf, dass Sankt Nikolaus in der Nacht Süßigkeiten und vielleicht ein Spielzeug oder ähnliches in die Schuhe füllt. Das wird vermutlich in anderen Regionen in Deutschland heutzutage ähnlich oder sogar gleich sein. Beim Weihnachtsfest und dem Heiligen Abend sieht es da schon anders aus. In manchen Regionen in Deutschland warten viele Kinder auf das Christkind, während viele andere auf den Weihnachtsmann warten.
In den Niederlanden warten die Kinder dagegen am 5. Dezember auf den Sinterklaas, das niederländische Pendant zum Nikolaus. Jedes Jahr im November reist der Sinterklaas mit seinen Helfern, aus seiner Heimat Spanien mit dem Schiff an. Das ist ein riesiges Spektakel, das von Jung und Alt und den Medien begeistert begleitet wird. Nach der Ankunft von Sinterklaas ist es für jedes Kind in den Niederlanden höchste Zeit, seine Schuhe aufzustellen. Die Schuhe werden mit Stroh und einer Möhre für das Pferd (Amerigo) des Sinterklaas sowie mit einem Wunschzettel gefüllt. Die Schuhe werden dann am Kamin oder zumindest in der Nähe der Heizungsrohre aufgestellt, denn die Helfer von Sinterklaas, die Zwarte Pieten (Schwarze Peter) kommen dort hindurch, um den Wunschzettel abzuholen und bereits eine Kleinigkeit zu hinterlassen. Am 5. Dezember ist dann der Höhepunkt der Sinterklaasfeierlichkeiten erreicht, auf den jedes Kind gewartet hat. Der Pakjesavond (Päkchenabend), etwa vergleichbar mit unserer Bescherung zu Heiligabend ist da.
Sinterklaas reitet auf seinem magischen Schimmel Amerigo von Dach zu Dach und bringt mit dem Zwarte Piet die Geschenke durch den Kamin. Soweit die Theorie. In der Praxis klopft es an der Tür und Sinterklaas hinterlässt entweder einen Sack voller Geschenke oder bringt die Gaben sogar persönlich vorbei. Zumindest, wenn alles gut läuft. Denn oh Schreck, der Sinterklaas weiß natürlich alles, was die Kinder das ganze Jahr über getan haben. Selbst was die Kinder gesagt haben steht Wort für Wort in seinem dicken Buch. Daher bekommen die bösen Kinder keine Geschenke, sondern werden vom Sinterklaas zur Rechenschaft gezogen und von einem Zwarte Piet in den Sack gestopft und nach Spanien mitgenommen. Davor fürchtet sich in den Niederlanden so manches Kind. Warum eigentlich? Viele würden doch liebend gerne für einige Monate nach Spanien reisen. Wer sich bereits gefragt hat, warum der Sinterklaas in Spanien wohnt, dem sei an dieser Stelle gesagt, dass sich dies noch auf die Zeit der Habsburger und die Spanischen Niederlande bezieht.
Apropos Zwarte Piet bzw. in der Neuzeit hat der Sinterklaas jede Menge dieser Helfer, also Zwarte Pieten:
Die Figur des Helfers von Sinterklaas war früher ein schwarzer Mann, mit schwarzen, lockigen Haaren und roten Lippen. Also eine stereotypisch dargestellte farbige Person mit Bezügen zum Kolonialismus. Außerdem war der Zwarte Piet derjenige, der die bösen Kinder bestrafte, sie also mit der Rute schlug und sie in den Sack steckte. Ähnlich dem deutschen Knecht Ruprecht. Guter Sinterklaas, böser Zwarte Piet. Seit etwa der 1980er Jahre wandelte sich das Bild des Zwarte Piet. Zuerst wurde er ein freundlicher und fröhlicher Gehilfe und außerdem wurden es immer mehr Helfer, die der Sinterklaas benötigte. Oder wer soll die Massen an Geschenken verteilen?
Die Beliebtheit des Zwarte Piet wurde durch diesen Wandel bei den Kindern enorm gesteigert. Die Farbigkeit der Zwarte Pieten allerdings bringt dem Brauch regelmäßig Ärger ein. Die Art der Darstellung wird bis heute mit Rassismus und Blackfacing in Verbindung gebracht. Auch wenn immer wieder betont wird, dass der heutige Zwarte Piet die schwarze Farbe von den Kaminen hat, durch die er steigt, hat dies an den Vorwürfen nichts geändert. Möglicherweise wird es den Helfer in dieser Form in Zukunft nicht mehr geben.
Thomas Nast – Ein deutscher Auswanderer wird legendär
Was man nicht ahnt ist, dass der Brauch um Sinterklaas mit den niederländischen Einwanderern in die neue Welt getragen wurde. Genau gesagt brachten die Niederländer es nach Nieuw Amsterdam dem heutigen Manhattan (New York City). Aus Sinterklaas wurde später Santa Claus, nachdem die Briten das Gebiet erobert hatten.
Die heutige Darstellung des Santa Claus oder Weihnachtsmanns, an die jeder sofort denkt, hat allerdings etwas mit einem deutschen Auswanderer zu tun: Thomas Nast, der im Alter von 6 Jahren 1848 in die Neue Welt einwanderte. Zunächst galt er in der Schule in New York als Versager. Er tat sich schwer mit der englischen Sprache, war klein und unsportlich. Aber er hatte ein ausgesprochen großes Zeichentalent. Mit 14 Jahren konnte Nast an der National Academy of Design studieren und arbeitete bereits mit 15 als Illustrator. Nast wurde in den 1860er Jahren ein bedeutender Zeichner und quasi der Vater der poltischen Karikatur in Amerika. Er schuf wahre Ikonen, wie Uncle Sam, das bis heute gebräuchliche Logo der Republikanischen Partei (Elefant) und schuf ab 1862 das bis heute einprägsame Bild des alten, pausbäckigen Mannes mit langem, weißem Bart, den Weihnachtsmann. 1889 erschien das Buch „Christmas drawings for the human race“ mit Zeichnungen von Thomas Nast, die unser Bild vom Weihnachtsmann bis heute prägen. Jahrzehnte bevor ein großer Getränkekonzern ab 1931 diese Figur aufgriff und für seine Werbezwecke um die Welt schickte. Selbst, dass der Weihnachtsmann am Nordpol wohnt, ist auf Thomas Nast zurückzuführen.
Nast war aber auch ein politischer Mensch. Ergriff im amerikanischen Bürgerkrieg Partei gegen Sklaverei, Rassismus und Korruption. Der US-Präsident Abraham Lincoln bezog sich mehrfach auf Nasts politische Karikaturen und nannte Nast den besten Werbeoffizier der Union. Die Karikaturen von Thomas Nast trugen auch wesentlich zu Sturz und zur Inhaftierung von William Tweed bei, indem er die Korruptheit von Tweed und seinen Kumpanen in beißenden Karikaturen öffentlich machte. Dafür verwendete er in vielen Karikaturen das Dollarzeichen, wie es heute jeder kennt, mit einem S und zwei senkrechten Strichen, als Synonym für Geldgier. Dadurch wurde der Bekanntheitsgrad des Dollarzeichens massiv gesteigert.
1884 verlor Nast durch Spekulation sein Vermögen, als die Bank Grant & Ward in Insolvenz ging. Später versuchte er eine eigene Zeitung zu gründen, was aber misslang. 1902 wurde Thomas Nast von dem US-Präsidenten Theodore Roosevelt zum Generalkonsul von Ecuador ernannt, wohl auch um Nast vor dem finanziellen Ruin zu retten. 1902 starb Thomas Nast in Ecuador an Gelbfieber.
Heute findet jedes Jahr zur Weihnachtszeit in Lindau, der ehemaligen Heimat von Thomas Nast der Thomas-Nast-Nikolausmarkt statt.
Anijskrollen - Anisbrötchen zum Nikolaus
Diese holländischen Anisbrötchen werden traditionell mit Spekulatius belegt und am Nikolaustag (Sinterklaas) verspeist. Statt in einem Backrahmen können die Anijskrollen auch in einer gefetteten Auflauf- oder Backform, z.B. einer runden Springform, gebacken werden.
Zutaten
- 500 g Weizenmehl Type 550
- 21 g Frischhefe
- 50 g Zucker
- 1 Prise Salz
- 1 Ei
- 50 g Butter, zimmerwarm
- 300 ml lauwarme Milch
- 1 TL Anis, gemahlen
- 1 TL Anissamen, ganz
- 1 TL Zimt, gemahlen
Anleitung
- Step 1 Das Mehl mit dem Zucker, dem Salz und den Gewürzen vermischen.
- Step 2 Die leicht erwärmte Milch in die Rührsxhüssel der Kuchenmaschine geben und die Hefe hineinbröckeln.
- Step 3 Das Ei und die Butter in die Rührschüssel geben. Alles gut verrühren.
- Step 4 Die Mehlmischung portionsweise unterrühren.
- Step 5 Wenn das gesamte Mehl hinzugefügt wurde, den Teig bei hoher Geschindigkeit so lange kneten, bis dieser sich von der Schüssel löst.
- Step 6 Die Schüssel mit Folie bedecken und den Teig ca. 30 Minuten bei Zimmertemperatur gehen lassen.
- Step 7 Die Arbeitplatte leicht mit Mehl bestreuen und den Teig darauf geben.
- Step 8 Ein Backblech mit Backpapier auslegen und einen Backrahmen auf ca. 25 x 30 cm darauf ausziehen.
- Step 9 Den Teig mit den Händen gut durchkneten und in 10 – 12 Stücke teilen.
- Step 10 Jedes Teigstück zu einer Kugel rollen.
- Step 11 Anschließend jede Teigkugel zu einem etwa 20 – 25 cm langen Strang rollen. Dann jeden Strang zu einem Knoten binden. Dabei das eine Ende des Strangs unter die Rolle lehen und das andere Ende oben herauskommen lassen.
- Step 12 Die gefertigten Teigknoten mit etwas Abstand in den Backrahmen legen.
- Step 13 Den Backrahmen mit einem Tuch oder Backleinen abdecken und ca. 45 – 60 Minuten bei Zimmertemperatur gehen lassen.
- Step 14 Wenn die Teigknoten schön aufgegangen sind, den Backofen auf 200C vorheizen.
- Step 15 Das Backblech für ca. 15 Minuten in den Backofen schieben und die Anijskrollen goldbraun backen.
- Step 16 Die fertig gebackenen Anijskrollen auf einem Küchengitter auskühlen lassen. Dann mit einem Messer auseinander schneiden.
- Step 17 Die abgekühlten Anijskrollen am besten in einem verschlossenen Plastikbeutel lagern, damit sie weich bleiben.
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Interessante Traditionen von Nikolaus bis Zwarter Piet, von denen man zum Teil noch nie was etwas gehört hat. Es ist immer schön auch von anderen Bräuchen zu hören. Und solange grosse und kleine Kartonschachteln mit Geschenken vor der Tür oder unter dem Baum liegen, kann man wohl fast jeden glücklich machen.